In fünf Schritten die Opferrolle ablegen

von Franziska Ziegler, 19. Juli 2017

Wie schnell übernehmen wir doch die Opferrolle und machen alle(s) rundherum für unsere schlechte Stimmung und unsere Unzufriedenheit verantwortlich. Es ist einfach und bequem, den Genen, dem Vollmond oder der Teamkollegin die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wir müssen nicht selber handeln, können uns bemitleiden lassen und gewöhnen uns mit der Zeit an diesen Zustand. So machte uns zum Beispiel das Wetter im Frühling ziemlich zu schaffen: Frost bis in den Mai, Ernteausfälle und dann zu allem Überdruss auch noch eine Erkältung. Ein dankbarer Schuldiger für die miese Laune ist gefunden! Für kurze Zeit mag das Lästern und Klagen hilfreich und erleichternd sein, längerfristig nagt es aber an unserem Selbstwertgefühl und macht uns einsam.

Erfahren Sie in meinem Beitrag, wie Sie die selbstgewählte Opferrolle verlassen und wieder selber Verantwortung übernehmen können. Es ist nicht ganz einfach. Und es lohnt sich.

PERMA und noch einmal das Wetter

Was kann man tun, und wo soll man beginnen? Damit wir den Überblick im Dschungel der psychologischen Ratschläge behalten und uns auf wissenschaftliche Befunde stützen, schlage ich vor, das PERMA-Modell aus der Positiven Psychologie als Wegweiser zu gebrauchen. PERMA ist ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben der Dimensionen, welche unsere Zufriedenheit und unser Wohlbefinden beeinflussen. Analog zum Wetter, das sich über einzelne Einflussgrössen wie Temperatur, Sonnenscheindauer, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck beschreiben und messen lässt, verhält es sich mit der Zufriedenheit:

  • Positive Emotions (Positive Gefühle)
  • Engagement (Passion und Flow)
  • Relationships (Beziehungen)
  • Meaning (Sinn)
  • Achievment (Selbstwirksamkeit)

Wenn wir in diesen fünf Bereichen Verantwortung übernehmen und sie aktiv gestalten, verbessert sich unsere Zufriedenheit signifikant. Die ForscherInnen aus der Positiven Psychologie haben viele Übungen zu den fünf Aspekten entwickelt. Probieren Sie einzelne aus und beobachten Sie, was sich ändert.

P – Geniessen Sie und verschaffen Sie sich regelmässig positive Gefühle

Barbara Fredrickson, eine der renommiertesten Forscherinnen auf dem Gebiet der Emotionen, hat einmal sinngemäss gesagt: Eine grosse Portion Broccoli pro Jahr macht noch kein gesundes Leben. Auf die Emotionen übertragen heisst das: Entscheidend ist nicht die Menge oder Intensität, sondern die Häufigkeit und Regelmässigkeit von positiven Gefühlen in unserem Alltag.

Die Übung «Miniurlaub» aus dem Buch «Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis» von Daniela Blickhan (hier zum Download) passt perfekt zu diesem Schritt.

 

E – Finden Sie Ihre Inspirationsquellen und setzen Sie Ihre Stärken ein

Was inspiriert Sie? Sind es schöpferische Tätigkeiten oder Reflexion und Denken? Ist es Lesen und Lernen? Ist es Helfen und Probleme-Lösen oder Beziehungspflege und Vernetzen? Ist es Spiritualität oder Handeln und Sich-Einsetzen?

Wenn wir uns in den Feldern bewegen, die uns inspirieren, sind wir zufriedener und das Handeln fällt uns leicht. Oftmals sind es Tätigkeiten, die uns zu einem Flow-Erlebnis führen. Wir vergessen die Zeit und unser Tun ist hoch motivierend.

Kennen Sie ihre Hauptstärken? Es lohnt sich, diese zu kennen, denn Menschen, die häufig ihre Stärken einsetzen, sind deutlich zufriedener als andere. (Lesen Sie mehr zur Charakterstärken-Forschung der Universität Zürich inkl. Zugang zum kostenlosen Online-Test). Kennen Sie erst Ihre Haupt-Stärken, ist es ein Leichtes, jeden Tag die vielen Möglichkeiten zu nutzen, um diese einzusetzen.

R – Pflegen Sie gute Beziehungen

Gelingende Beziehungen wirken gegen Depressionen und verlängern sogar unser Leben. Welche Beziehungen tun Ihnen aktuell gut? Welche lassen Sie besser bleiben? Mein letzter Blog-Beitrag befasst sich vertiefter mit diesem Aspekt.

M – Klären Sie das WARUM

Der emeritierte kanadische Psychologieprofessor Paul Wong widmete einen grossen Teil seines wissenschaftlichen Arbeitens der Frage nach dem Sinn. Nach ihm ist Sinnstiftung eines unserer Grundbedürfnisse, weil sie uns die Möglichkeit gibt, Negatives in Positives zu transformieren. Sinn betrifft direkt unsere Werte und Prioritäten, lässt uns Situationen und unsere Rolle darin verstehen und hilft uns, Verantwortung für uns selber zu übernehmen. Ein sinnerfülltes Leben macht Freude.

Was also treibt Sie an und warum stehen Sie jeden Morgen auf? Welchen Sinn finden Sie in der Arbeit? Arbeit kann für uns eine lästige Pflicht sein. Wir führen dann ein Girlanden-Dasein, indem wir uns von Wochenende zu Wochenende und von Ferien zu Ferien hangeln. Oder aber: Arbeit ist ein Mittel zum Zweck, ein Karriere-Dauerlauf (für Ansehen, Beförderung oder Wohlstand). Dritte Möglichkeit: Arbeit ist für uns eine innere Erfüllung, eine Berufung und Möglichkeit, unsere Stärken für etwas Sinnvolles einzusetzen. Was ist es für Sie? Entdecken Sie andere Lebensentwürfe und verweilen Sie auf Mathias Morgenthaler's Website. Er hat gegen 1000 Menschen zum Thema Beruf und Berufung interviewt.

A – Gestalten Sie Ihre Lebenszeit

Starten Sie mit mir ein Experiment. Wenn heute ein Mädchen geboren wird, können wir davon ausgehen, dass es mit rund 50% Wahrscheinlichkeit 100 Jahre alt wird. Aktuell sagt die Statistik, dass Frauen durchschnittlich 85 Jahre, die Männer 80 Jahre alt werden. Nehmen Sie nun ein hölzernes Metermass mit einem Meter Länge zur Hand und brechen dieses bei 80 cm respektive bei 85 cm ab. Dann brechen Sie auch den Teil ab bis zu Ihrem jetzigen Alter (also z.B. bei 36 cm, wenn Sie 36 Jahre alt sind). Das was nun übrig bleibt, ist Ihre prognostizierte verbleibende Lebenszeit. Was möchten Sie noch alles erleben? Und wofür möchten Sie überhaupt alt werden? Stellen Sie sich die einzelnen Punkte ganz konkret vor Ihrem geistigen Auge vor und schreiben Sie sich die Punkte auf!

Ade Opferrolle – willkommen Abenteuer. Ich wünsche uns allen ein gutes Gelingen. Und ich freue mich über eine Rückmeldung, welche Erfahrungen Sie mit dem Thema «Verantwortung übernehmen» gemacht haben.

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Kommentare

Esther Frauenknecht am 20.07.2017, 08:10

So inspirierend. Danke!

Nicole Zeiter am 20.07.2017, 22:32

Gefällt mir. Macht Lust aufs Durchstarten!

Therese Rose Rossi am 23.07.2017, 08:50

Rosige Aussichten durch Ausdauer und Perspektivenwechsel