Gute Vorsätze brauchen gute Gefühle

Ein Spaziergang durch unsere Persönlichkeit (Teil 1)  
von Franziska Ziegler, 9. September 2015

Wie schaffen wir es, einen Vorsatz gegen alle Widerstände in eine Handlung umzusetzen? Und wie integrieren wir neue und vielleicht irritierende Erfahrungen in unsere Lebensbibliothek? Ich lade Sie ein, mich auf einen Spaziergang zu faszinierenden Facetten unseres Verhaltens und Erlebens zu begleiten.

Der erste Abschnitt unseres Wegs führt uns von der Absicht zur Handlung. In der Psychologie spricht man von Willensbahnung. Ein Thema, das wir wohl oft mit der Zeit um den Jahreswechsel verbinden. Wir nehmen uns vor, mehr Sport zu treiben, mit dem Rauchen aufzuhören oder wieder einmal den Kleiderschrank aufzuräumen.

Nehmen wir also einmal an, Sie möchten gerne regelmässig trainieren, um gesund älter zu werden. Da das Körpertraining aber noch gar nicht zu Ihren Gewohnheiten gehört, ist die Umsetzung dieser Absicht mit vielen Hindernissen verbunden, die wir uns hier kurz vor Augen führen können: keine Zeit, fehlende Kondition, innerer Schweinehund, Ablenkung durch dringendere Dinge, Erkältung, schlechtes Wetter, fehlende Ausrüstung etc. Wie um alles in der Welt kann das mit dem regelmässigen Sporttreiben nur funktionieren?

Auf dem Spaziergang begegnen wir zuerst Professor Julius Kuhl, dem Inhaber des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Osnabrück.

Linke und rechte Hirnhälfte

Wir Menschen verfügen mit unserem hoch entwickelten Gehirn über zwei unterschiedliche Verarbeitungssysteme, die auch in der Anatomie des Gehirns an unterschiedlichen Stellen angesiedelt sind. In der Alltagssprache reden wir von der rechten und der linken Hirnhälfte. In der linken Hirnhälfte lokalisieren wir den Verstand, in der rechten Gefühle und Kreativität. Die beiden Systeme arbeiten ziemlich unterschiedlich und wir können von Glück reden, dass wir beide zur Verfügung haben.

Grafik Hirnhälften

Quelle: Kursunterlagen PSI-Grundkurs IPSIS. Grafik: Franziska Ziegler

Professor Kuhl unterteilt nun auf Grund seiner Experimente und theoretischen Überlegungen die zwei Hälften nochmals und unterscheidet in unserem Gehirn vier Funktionssysteme, deren Zusammenspiel unsere Persönlichkeit und das Zustandekommen von Handlungen ausmachen. Jedes dieser Systeme besitzt eine eigene Art zu arbeiten.

Vier Räume in unserem Gehirn

Grafik Funktionssysteme

Quelle: Kursunterlagen PSI-Grundkurs IPSIS. Grafik: Franziska Ziegler

Unschwer lässt sich erkennen, dass wir für unsere Absicht «regelmässig Sport treiben» einerseits unser Planungsbüro und dann vor allem unsere Werkstatt brauchen. Natürlich ist es auch sehr von Vorteil, vor der Absichtsbildung noch unsere Lebensbibliothek zu besuchen. In diesem Raum spüren wir nämlich sehr gut, ob der gebildete Vorsatz für uns Sinn macht und sich stimmig anfühlt. Die Frage stellt sich nun, wie wir von rot nach grün kommen? Wie bekommen wir genug Handlungsenergie, um unseren Vorsatz in die Tat umzusetzen?

Nutzen Sie die Kraft Ihrer Gefühle!

Man hat entdeckt, dass sich unsere Stimmungslagen sowie die unterschiedlichen Systeme im Gehirn gegenseitig beeinflussen. Jedes Funktionssystem ist automatisch mit einer ganz bestimmten Stimmungslage verbunden. Unsere Gefühle ermöglichen uns, in ein bestimmtes Funktionssystem zu wechseln. Sie sind demnach die erforderlichen Schlüssel zu den vier Räumen. Zoomen wir also nochmals etwas näher an das rote und grüne System heran:

Grafik Selbstmotivation

Quelle: Kursunterlagen PSI-Grundkurs IPSIS. Grafik: Franziska Ziegler

Das Planungsbüro wird geöffnet mit einer sachlich nüchternen Stimmungslage, eine Stimmungslage, die Frust aushalten kann. Wenn wir allzu fröhlich und freudig gestimmt sind, verschliesst sich uns dieses Funktionssystem.

Auf der andern Seite öffnen wir unsere Werkstatt eben gerade mit dieser positiven, fröhlichen Stimmung. Wenn wir allzu sachlich gestimmt sind, finden wir keinen Zugang zu unserer Handlungsenergie.

Stimmungslagen und Funktionssysteme bedingen sich wie gesagt wechselseitig. Das heisst, wenn wir unseren Stimmungslagen ausgeliefert sind, machen auch unsere Hirnfunktionssysteme, was sie wollen. Gelingt es uns aber, unsere Emotionen zu regulieren, stehen uns unsere Hirnräume so zur Verfügung, wie wir sie brauchen und wollen.

Positive Gefühle schenken Handlungsenergie

Für unser «Mehr-Sport-Vorhaben» brauchen wir die Werkstatt, brauchen wir also zwingend freudige und positive Gefühle.

Während wir unseren Spaziergang fortführen, begegnet uns Jens-Uwe Martens. Er ist Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Autor, Trainer und Coach. In seinem Buch «Praxis der Selbstmotivierung» gibt er uns eine prägnante Zusammenstellung von 20 alltagstauglichen motivationspsychologischen Regeln.

Gesteckte Ziele müssen seiner Meinung nach attraktiv, selbstbestimmt und persönlich bedeutsam sein. Es hilft, sich diese möglichst konkret vorzustellen, sie andern mitzuteilen, ihre Vor- und Nachteile abzuwägen, die Hindernisse auf dem Weg zu ihnen zu bedenken, neue Gewohnheiten zu bilden und motivierende Vorstellungen und Stimmungen einzuüben. Es hilft zudem, sich Zwischenziele zu setzen und sich passende Vorbilder und Unterstützung aus dem eigenen Freundeskreis zu suchen. Einen fundamentalen Stellenwert haben jedoch unsere Gefühle (Regel 13): «Wir müssen uns primär auf den Bereich der Gefühle konzentrieren, wenn wir unsere Motivation beeinflussen wollen.» Es handelt sich dabei gemäss Martens um die wichtigste Regel, «die eingehalten werden muss, wenn die andern Regeln überhaupt Wirkung zeigen sollen.» (Jens-Uwe Martens, Praxis der Selbstmotivierung, S. 103.)

Eine Zen-Geschichte zum Schluss

«Ein Geschäftsmann kommt zum Zen-Meister. Er sucht das Geheimnis des erfolgreichen Lebens. Da sagt der Meister: ‹Mache jeden Tag einen Menschen glücklich!› Nach einer Weile: ‹Selbst wenn dieser Mensch du selbst bist.› Wenig später: ‹Vor allem, wenn dieser Mensch du selbst bist.›» (Jens-Uwe Martens, Praxis der Selbstmotivierung, S. 102.)

Wie bilden Sie Absichten und wie setzen Sie diese um? Welche Bedeutung geben Sie dabei Ihren Gefühlen?

Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen!

Professor Julius Kuhl hat übrigens ein sehr umfangreiches Testverfahren entwickelt, welches uns eine äusserst differenzierte Sicht auf unsere Persönlichkeit erlaubt. Mit einer Motivationsanalyse erfahren Sie, was Sie in Ihrem Leben motiviert und wie Sie Ihre Hirnfunktionssysteme ganz konkret und optimal einsetzen können.

Neugierig auf weiterführende Literatur? Hier zwei meiner verwendeten Quellen:

  • Julius Kuhl, Motivation und Persönlichkeit. Göttingen 2001.
    ISBN: 978-3-801-71307-2
  • Jens-Uwe Martens, Praxis der Selbstmotivierung. Stuttgart 2012.
    ISBN: 978-3-17-021887-1

In meinem nächsten Beitrag lade ich Sie auf den zweiten Teil unseres Spaziergangs ein und Sie erfahren, wie wir Menschen Neues in unsere Lebensbibliothek integrieren.

 

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Kommentare

Annemarie Lardelli am 13.09.2015, 21:23

Liebe Franziska
sehr interessant, dieser Beitrag! Gerade heute Nachmittag kämpfte ich gegen den inneren Schweinehund, weil es nieselte und der Boden nass und dreckig war. Zum Golfen hatte ich deshalb gar keine Lust und musste mich überwinden, vom gemütlichen Sofa, meinem Buch und der warmen Stube aufzuraffen um eine Runde zu spielen. Kaum jedoch auf dem Platz war ich sportlich top und mental fit um anzugreifen, im Lot mit Körper, Geist und Seele. Mit einem akzeptablen Scor wie gestern und vorgestern..... jedoch dreckig, verspritzt und eine der Letzten auf dem Platz - bei schon einbrechender Dunkelheit - musste ich über mich "alte Frau" schmunzeln, während dem gruseligen Putzen von Schlägern, Schuhen und Wagenräder, war jedoch sehr erfüllt und befriedigt! -
Ich freue mich auf weitere Anregungen, Artikel und Gedanken! -
Liebe Grüsse AML

Franziska Ziegler am 14.09.2015, 08:37

Liebe Annemarie
Vielen Dank für das Teilen Deiner Erfahrungen! Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie sich bei dir Freude und Befriedigung eingestellt haben, sobald du auf dem Platz gestanden bist. Bei einer Tätigkeit, die wir gerne machen, geht das wie von selbst. Beim Ausfüllen der Steuererklärung brauchen wir wohl etwas mehr Überwindung.

Dr. Jens-Uwe Martens am 14.09.2015, 18:16

Liebe Franziska, Dein Beitrag und vor allem die sehr aufschlussreichen und hifreichen Grafiken haben mir gut gefallen. Ich selbst veranstalte Seminare zum Thema Selbstmotivation (vor allem an der Bundeswehrhochschule in Neubiberg bei München) und weiß aus Erfahrung, wie sehr man auch Studenten mit diesen Erkenntnissen helfen kann. Ich wünsche Dir viel Erfolg.

Franziska Ziegler am 20.09.2015, 10:42

Lieber Jens-Uwe, vielen herzlichen Dank für Dein Feedback und weiterhin viel Freude mit der Selbstmotivation! Liebe Grüsse nach Deutschland.