Wie Sie Ihre Beziehungen beleben.
Oder: Warum 500 Facebookfreunde nicht ausreichen

So verhelfen Sie Ihrem Glück auf die Sprünge 
von Franziska Ziegler, 2. September 2016

Sie kennen sie bestimmt, diese ganz besonderen Momente im Leben: Sie sitzen bei einem Glas Wein mit einem Freund oder einer Freundin, philosophieren bis in die Morgenstunden über das Leben und stauen, dass bereits die Müllabfuhr vorbeifährt. Ich meine Gespräche, die von der Oberfläche in die Tiefe gehen, die hoch motivieren und uns wach halten. Was passiert in solchen Momenten mit uns? Und wie können wir diese intensiven Beziehungszeiten vermehrt in unseren Alltag holen?

Von «An Apple a day keeps the doctor away» …

Food-Trends offenbaren aktuelle Lebensgefühle, berühren unsere Sehnsüchte und geben Orientierung beim Lösen von anstehenden Problemen. Kochbuchabteilungen in Buchhandlungen sind voll mit Titeln wie: «Schlanker, gesünder und messbar jünger in 60 Tagen», «Magische Brühen» und «Die Suppe heilt», «Clean eating – Iss dich gesund» oder «genial gesund», Titel des neusten Kochbuchs von Jamie Oliver. Veganismus oder Brainfood ist in aller Munde und Sich-gesund-essen ein Megatrend. Was in den 80er-Jahren allerhöchstens mit dem Satz «An apple a day keeps the doctor away» weitergegeben wurde, ist heute zu einer Riesenindustrie mit ständig neuen Wundernahrungsmitteln geworden. Chia-Samen folgten auf Goji-Beeren, Grünkohl war gestern, jetzt ist Kokoswasser angesagt und der Verzehr von Quinoa hat sich vervielfacht.

Doch neben all der körperbezogenen Aufmerksamkeit: Wie steht es um das Wellnessprogramm für unsere seelisch-geistige Ebene? Was unterstützt uns, psychisch gesund und zufrieden zu bleiben? Menschen, die ich im Coaching begleite, beschäftigen sich intensiv mit dieser Frage. Sie verabschieden sich von destruktiven Umfeldern, stärken ihre Selbstfürsorge und ihr Selbstvertrauen, vor allem aber gestalten sie belebende soziale Beziehungen.

… zu «Love, attention and care every day keep the doctor away»

Zahlreiche Studien haben aufgezeigt, dass soziale Beziehungen das Gegenmittel gegen Depressionen sind. Und damit ist nicht gemeint, 500 Followers auf Facebook oder möglichst viele Likes zu haben. Vielmehr geht es um einzelne gute FreundInnen, die uns immer wieder die Gelegenheit geben, zu erzählen, was uns bewegt. Wissen Sie, dass Freundschaften sogar unser Leben verlängern? Im Jahr 2010 sind die Forscher Julianne Holt-Lundstad, Brandon Jones und Wendy Birmingham in einer bemerkenswerte Studie über den Zusammenhang von sozialen Beziehungen und Sterblichkeit zu dieser Erkenntnis gekommen.

In seinem Referat im April in Zürich hat der Hirnforscher Joachim Bauer aufgezeigt, wie Beziehungen sich direkt biologisch im Körper manifestieren. Die zwischenmenschliche Beziehung ist nämlich eine der wichtigsten Voraussetzungen für Vitalität und Motivation. Unser Gehirn erzeugt aus sozialen Erfahrungen Botenstoffe im Körper, die uns entweder beflügeln oder krank machen können. Aus Geist wird Materie! Verweigerte Beziehung, Vernachlässigung und eine Mangel an Anerkennung aktivieren das Schmerz- und Stresssystem und die damit verbundenen negativen Botenstoffe. Auch unser Kreislauf, Blutdruck und Schlaf reagieren unwillkürlich darauf. Wir sind auf Beziehungen und Resonanz hin gestrickt, wollen gesehen werden und gemeint sein. Sobald wir nämlich über uns selber reden können und gehört werden, aktiviert sich unser Belohnungssystem mit all seinen wohltuenden Botenstoffen wie Dopamin, Opioide und Oxitozin. Dadurch wird unser Immunsystem gestärkt und wir sind hochmotiviert. Dies veranschaulichen die 2012 durchgeführten Studien von Jason Mitchell.

Von der Kunst, belebende Beziehungen zu pflegen

Nun – welche Menschen inspirieren Sie? Wer interessiert sich wirklich für Sie? Wer kennt Ihre Hoffnungen, Wünsche und Ängste? Wer ist so grosszügig und schenkt Ihnen Zeit und die ganze Aufmerksamkeit, damit Sie Ihre Geschichten erzählen können? Und wie schenken Sie andern grosszügig Aufmerksamkeit und Ihre ganze Resonanz? Gleichsam einer Gitarre erklingen unser Körper und unsere Psyche, wenn ein Freund/eine Freundin ganz mit uns schwingt, indem er/sie achtsam präsent ist.

Folgende kraftvollen Fragen laden Menschen ein, über sich zu erzählen:

Grafiken: Franziska Ziegler

Wem möchten Sie als nächstes das Leben verschönern mit Ihrer achtsamen Präsenz? Vielleicht erfahren Sie, wie aus Geist Biologie wird? Ich ermutige Sie, probieren Sie es aus und erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen!

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Kommentare

Monika am 04.09.2016, 09:08

Liebe Leserinnen
ich erzähle eine kleine Episode meiner Herkunftsfamilie, genau gesagt, von einem Teil davon.
Mein Vater hat vor einiger Zeit die Diagnose Krebs bekommen. Das bewegte mich, mich mit meinen beiden jüngeren Schwestern über zwei Fragen auszutauschen: wie geht es Euch/mir damit und wie wollt IHR/ wollen WIR ihn begleiten?
Vorab: es ist uns Schwestern nie leicht gefallen, dass wir alle drei miteinander auskommen. Es gibt viel Streit, Eifersüchteleien und unbeabsichtigte Verletzungen. Wir reagieren seismografisch darauf, sind immer wieder in diesem Muster gefangen.
Wir drei wollen jedoch eine bessere Schwesternbeziehung.
Die Diagnose meines Vaters hat uns diesem Wunsch wieder näher gebracht, das ist uns während des Austausches zu meinen Fragen klar geworden. Und wir wollen alle drei seine Entscheidungen und seinen Weg, so wie er ihn gehen will, akzeptiern und respektieren und ihn darin begleiten. Um unserem Verhaltens-Muster etwas entgegen zu setzen, haben wir zwei Mal ein Coachsetting besucht. Kein einfaches Unterfangen, aber sehr spannend zu hören, wie verschieden wir unsere Kindheit und unsere Eltern wahrnehmen. (Das weiss man: jede Person hat ihre eigene Wahrnehmung, klaro! Jedoch es selber so zu hören und zu erleben ist sehr faszinierend). Durch das Angebot des Coachs in der zweiten Stunde an eine meiner Schwestern und mich, uns gegenseitig je fünf Wünsche auf zu schreiben und vorzulesen, hat sich ein grosser Groll erstmal aussprechen lassen und durch unser Handeln im Nachhinein: dem Erfüllen der Wünsche sind wir uns wieder näher gekommen.
Ich habe erfahren wie wichtig das Wiederannähern ist, auch auf die Gefahr hin, sich wieder zu verletzen, es gibt mir einen sicheren Boden dran zu bleiben und die Beziehungen zu pflegen. Die Randbemerkung des Coachs: "mit den Geschwistern hat man die längste Beziehung im Leben" bleibt mir als positiver Grundsatz hängen.
Danke für Eure Teilnahme beim Lesen :-)
Monika

Franziska Ziegler am 04.09.2016, 18:47

Liebe Monika
Vielen herzlichen Dank für das Mit-Teilen Deiner ganz persönlichen Erlebnisse. Mir gefällt der Schlussgedanke über die Geschwisterbeziehung sehr gut. Ich denke, die Gestaltung der Geschwister-Beziehungen birgt manche Herausforderung und sicher auch Überraschungen.

Herzliche Grüsse
Franziska