Wie Sie Krisen und Stress besser bewältigen

Ein Spaziergang durch unsere Persönlichkeit (Teil 2) 
von Franziska Ziegler, 11. Dezember 2015

Im letzten Beitrag beschreibe ich, wie wir Handlungsenergie aufbauen können, wenn wir eine bestimmte Absicht umsetzen möchten. Heute lade ich Sie ein, mich auf dem zweiten Stück des Spaziergangs durch unsere Persönlichkeit zu begleiten. Sie erfahren, wie wir psychischen Druck bewältigen, was dabei in unseren Hirnfunktionssystemen passiert und wie das alles mit dem Lernen verbunden ist.

«Erfahrungen sammelt man wie Pilze: einzeln und mit dem Gefühl, dass die Sache nicht ganz geheuer ist.» Dieser Spruch des amerikanischen Schriftstellers Erskine Caldwell passt ganz gut zum heutigen Thema.

Erinnern Sie sich an Situationen, wo es Sie kalt erwischte, an unangenehme Erlebnisse, die Stress auslösten, Sie blockierten oder sogar handlungsunfähig machten? Das kann eine Kritik einer Vorgesetzten sein, die einen nicht mehr loslässt, Beziehungskrisen, aber auch ein Autofahrer, der es auf der Überholspur allzu gemütlich nimmt. Solche Stresssituationen werden äusserst individuell empfunden und wir stellen unwillkürlich und in Millisekunden unseren Autopiloten ein – so wie es auch die Tiere tun. Wir reagieren mit unserem Reptiliengehirn, also mit einem evolutionsbiologisch uralten Verbündeten. Drei Reaktionsmuster stehen uns zur Auswahl: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Unschwer lässt sich erkennen, wie wichtig diese drei Verhaltensweisen sind, wenn wir an Leib und Leben bedroht werden. Unsere Gattung gäbe es mit Sicherheit nicht, hätten wir nicht diesen verlässlichen Autopiloten. Wenn wir überfallen werden oder in einem Kriegsgebiet leben, ist dieser überlebenswichtig. Oft schiesst er allerdings im Alltag über das Ziel hinaus.

Feeling blue

Besuchen wir also noch einmal die verschiedenen Räume in unserem Gehirn und fokussieren heute auf das Prüflabor und unsere Lebensbibliothek. Das «Prüflabor» ist mit Absicht blau eingefärbt. Dieses System springt nämlich spontan dann an, wenn wir Stress und Misserfolge erleben. Wir fühlen den Blues, sehen jedes Haar in der Suppe, sind gefangen im Selbstmitleid, zweifeln an uns selber, lästern über andere oder die ungerechte Struktur, die uns die Freiheit nimmt. Wir entwickeln einen Röhrenblick, drehen uns im Kreis und verlieren den Kontakt zu unseren Werten und Bedürfnissen.

Wieder spielen bei diesem Geschehen unsere Gefühle die entscheidende Rolle. Im Prüflabor dominiert nämlich eine ernste, traurige und ängstliche Stimmungslage. Wenn Sie das kennen, sind Sie in guter Gesellschaft und begegnen dabei einer grossen Chance, fürs Leben zu lernen. Aber dazu später.

Die Frage stellt sich, wie wir wieder aus dem Blues herausfinden. Was hilft uns, das Prüflabor wieder zu verlassen. Richtig: auch wieder unsere Gefühle! Was wir jetzt brauchen, ist die Fähigkeit, uns selbst zu beruhigen.

Selbstberuhigung – eine Schlüsselkompetenz

Wenn wir es schaffen, Gelassenheit und Entspannung herzustellen, öffnet sich auf wundersame und hilfreiche Weise unsere Lebensbibliothek. Diese beinhaltet alles, was wir brauchen, um irritierende und unangenehme Erfahrungen zu integrieren.

 

Quelle: Kursunterlagen PSI-Grundkurs IPSIS. Grafik: Franziska Ziegler 

Ist dieses Funktionssystem aktiviert, haben wir den Zugang zum Wertvollsten in uns – nämlich zu unserem Selbst. Konkret heisst das, hier kommen wir in Kontakt mit unseren Gefühlen, spüren, was wir und auch unser Gegenüber brauchen, nehmen wahr, was für uns Sinn macht, sind kreativ und voller Ideen für Lösungswege und schöpfen aus unserer ganzen Lebenserfahrung. Wenn es uns gelingt, uns selbst zu entspannen und zu beruhigen, finden wir positive Bewältigungsstrategien für eine stressige Situation und stellen dabei ein neues Buch in unsere Lebensbibliothek. Dieses dient fortan als zusätzliche Ressource auf unserem Lebensweg. Wir haben etwas Neues gelernt! So kann jede herausfordernde Situation zu einer Chance werden, kommende Lebenskrisen besser zu bewältigen.

Es gibt nichts Tristeres, als eine schöne grosse Bibliothek ohne Bücher darin. Menschen, die sich nicht ab und zu auch mit Irritierendem und Schmerzlichem konfrontieren, haben wenig kreative Lösungsideen zur Verfügung, wenn es einmal richtig brennt. Je älter wir werden, desto eher begegnen wir herausfordernden Erlebnissen, die wir zu bewältigen haben: Schwinden der Sinne (Augen, Ohren, Gleichgewicht), Verlust von lieb gewordenen Menschen, bewusst werden der zerrinnenden Lebenszeit, das Erleben der Diskrepanz zwischen dem, was man machen möchte, und der dafür zur Verfügung stehenden Kraft, Sinnfragen und Umgang mit der eigenen Sterblichkeit etc. Eine gut gefüllte Lebensbibliothek hilft uns in solchen Situationen.

Gestalten Sie – auch in der Krise!

In der Psychologie redet man von Resilienz und meint damit die Fähigkeit, mit Belastungen in angemessener Weise umzugehen und aus Krisen zu lernen. Wir entwickeln dabei eine innere Stärke, erhalten unsere psychische Gesundheit und bleiben bis ins hohe Alter in einer Gestalterrolle.

Wie entspannen Sie?

Suchen Sie sich eine Antwort auf diese Frage – das hat einen grossen Vorteil: Wenn Sie wissen, wie sie sich beruhigen können, halten Sie den Schlüssel zu Ihrer Lebensbibliothek in der Hand. Maja Storch beschreibt in ihrem Buch «Manana-Kompetenz» unterschiedliche Entspannungstypen. Mit dem von ihr und Gunter Frank zur Verfügung gestellten Dokument können Sie herausfinden, was Sie ganz persönlich unterstützt, in eine gelassene Stimmung zu kommen.

Welche Bedeutung hat für Sie Resilienz und wie bewältigen Sie stressige Situationen?

Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen!

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Kommentare

Heiner Utz am 14.12.2015, 10:14

Liebe Franziska
ein gutes und immer wieder aktuelles Kapitel. Ich habe gerade den Mañana-Test gemacht. Gibt interessanter Einsichten, die andere Betrachtungsweisen gut ergänzen. Liebe Grüsse, Heiner

monika am 14.12.2015, 10:40

liebe franziska,
dein mail kommt just in time! herzlichen dank für die gedankenanstösse.
sie tun mir gut! lg monika

Silke am 14.12.2015, 16:12

Liebe Franziska
Schöner Artikel - vielen Dank für die guten Impulse!
Herzliche Grüsse, Silke

Doaà Schmidt am 22.12.2015, 14:48

Liebe Franziska
Ich danke dir von ganzem Herzen für diesen erleuchtenden und schönen Beitrag. Dies ist für mich ein Weihnachtsgeschenk.
DANKE
Liebe Grüsse
Doaà Schmidt (vom orientalischen Tanzkurs)